Unwissenheit

Unwissenheit über Epilepsie in der Bevölkerung

 

Reden gegen das Schweigen

 

 

 

Warum weiß die Öffentlichkeit so wenig über Epilepsie Bescheid? Sie ist eine Krankheit, die seit Jahrhunderten verheimlicht, versteckt und totgeschwiegen wird und als eine schreckliche Krankheit gilt. Im Mittelalter wurden Epilepsiekranke häufig als Hexen verbrannt oder in Türmen eingesperrt, aus Angst vor dieser Krankheit. Die Öffentlichkeit begegnet meist mit Vorurteilen, Unverständnis und Hilflosigkeit. Auch heute noch verstecken sich Epileptiker aus Scham vor den Leuten. Gerade kleinere Anfälle wie vokale Anfälle, Abcencen und eben unauffällige Anfälle werden oft nicht ernstgenommen. Deshalb ist es auch zum Teil unsere Schuld, dass niemand etwas von unserer Krankheit wissen will.  Und den Kopf in den Sand stecken, ist eine schlechte Lösung. Outing wäre hier sehr hilfreich, aber die meisten möchten das nicht tun. Hinzu kommt noch, dass Epilepsie zwar medikamentös unterdrückt wird, aber die Forschung ist hier nicht am Ende.

 

 

Dass Epilepsie immer noch ein Tabuthema ist, hat sehr viele Gründe. „Den Kopf in den Sand stecken“ ist natürlich die einfachste Lösung. Das ist eine pauschale Redewendung und bedeutet so viel wie: Eine drohende Gefahr nicht sehen wollen, die Augen vor unangenehmen Realitäten verschließen, bestimmte Tatsachen einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen, oder eine bevorstehende körperliche oder geistige unangenehme Situation glatt zu ignorieren.

 

Unwissenheit und Vorurteile sind ein Grund unangenehmen Tatsachen aus dem Weg zu gehen. Wenn ein großer Anfall (Grand – mal) in der Öffentlichkeit passiert, wird er von vielen Menschen wahrgenommen, weil er meisst furchterregend aussieht. Die meissten Leute erschrecken oder laufen weg. Es könnte sich ja um einen Betrunkenen oder einen Rauschgiftsüchtigen handeln. Aber es gibt Gott sei Dank noch einige Menschen die tatsächlich helfen wollen.

 

Will man bei einem Anfall helfen, sollte man folgende Punkte beachten:    „Man sollte bei so einer Anfallssituation eine gewisse Erfahrung über Epilepsie haben und die Fähigkeit besitzen, eine notwendige Ruhe zu bewahren. Eine genaue Beobachtung des Anfallsgeschehens von Anfang an (Art und Lokalisation der Bewegungen, Bewusstseinszustand / Ansprechbarkeit, Anfallsdauer) kann für spätere Behandlung für den Arzt sehr wichtig sein. Zur angemessenen Reaktion gehört es auch, das Risiko ihres Auftretens richtig abzuschätzen. Ständige Aufgeregtheit schadet nur. Bei den meisten Anfallskranken treten Anfälle selten auf. Auch wo Anfallsfreiheit nicht erreicht ist, sollte ein unbefangener Umgang oberstes Ziel sein“.

 

Das ist eine grobe Richtlinie für den Ersthelfer, das ist leicht gesagt, aber nach Erfahrungen viel zu selten durchführbar.

 

Ein Grand-mal sieht natürlich beängstigend und dramatisch aus, er ist aber nicht lebensbedrohlich. Ein Status-Epilepticus (Anfall über einen langen Zeitraum) ist hier die Ausnahme und kommt äußerst selten vor. Aber gerade solche Ereignisse sind ein gefundenes Fressen für die Presse, denn Sensationserlebnisse erhöhen die Auflage ihrer Zeitung. Auch Autounfälle von Epileptikern werden oft dramatisiert und pauschalisiert. Das ist für die Aufklärungs- und Öffentlichkeitarbeit katastrophal. Denn solche Geschehnisse, werden von den Bürgern als normale Tatsachen gelesen. Dass es in der Mehrzahl der epileptischen Anfälle kleinere und fast nicht bemerkbare Anfälle gibt (die eben die größte Anzahl der Anfälle sind), interessiert fast keinen. Das ist "nichts hören, nichts sehen, nichts wissen", eigentlich schade, denn hier kommt das Tabu besonders zum Vorschein.

 

Autounfälle bei Epilepsiekranken Leuten passieren äußerst selten, denn sie haben strenge Auflagen. Man übersieht allzu gerne, das Jugendliche sehr viel mehr Unfälle haben, meißtens auch schlimmere mit Todesfolge. Ist Leichtsinn und jugendlicher Übermut mit Epilepsie zu vergleichen? Diese Entscheidung muß jeder für sich ausmachen, denn ein Epileptiker der eine Fahrerlaubnis hat, fährt umsichtiger und vorsichtiger als ein jugendlicher Draufgänger. Diese Tatsache sollte man schon einmal erwähnen. Auch Diabetiker, Herzkranke, alte Leute über 75 Jahre und Alkoholiker, werden nicht so streng überwacht wie Epileptiker. Aber das ist für die Presse nicht so wichtig, aufreißerische Berichte bringen mehr Absatz. Auch ein Grand-mal in der Fußgängerzone ist ja „schön“ gruselig, das bringt Verkaufszahlen wenn es gedruckt wird, das erhöht die Auflagen ihrer Zeitungen. Wird hier nur noch an Gewinn gedacht, wie kurzsichtig sind wir denn geworden? Aber chronisch kranke Menschen sind hier wehrlos, und wurden schon immer als minderwertig und nicht belastbar eingestuft.  Gerade hier könnte die Presse zum großen Teil zur Aufklärung beitragen und das nicht nur in der jetzigen Zeit.  Aber solche Berichte sind für die meisten Menschen nicht interessant. Hier kommt leider wieder die Unwissenheit zum Vorschein, nichts hören – nichts sehen – nichts sagen. Da liest man lieber aktuelle Nachrichten und steckt bei diesem Thema den Kopf in den Sand. Die Arbeitssuche eines epilepsiekranken Menschen ist sehr viel schwieriger, als die eines „normalen“ Menschen. Hier sind wieder Vorurteile und viel Unwissenheit der verantwortlichen Leute leider zu sehen, denn diese Menschen werden leider immer noch als nicht belastbar oder gar als geisteskrank beurteilt.

 

Dabei war Epilepsie seit Menschengedenken immer da, man verdrängte es nur allzu gerne. In den Erinnerungen vieler Menschen ist noch die Behauptung in der NS-Zeit, dass auch Epileptiker zu den nutzlosen Menschen zählten. Geisteskrankheit, Vererbbarkeit, sogar Ansteckung waren Gründe, solche nutzlose „Mitesser“ zu vernichten. Das ist eine traurige Geschichte unserer Vergangenheit, das sollten wir nie vergessen. 

 

Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten. Helmut Kohl

 

 

Lasst uns also auch über unsere Vergangenheit reden, da gabs gute aber auch schlechte Zeiten. Wir können von unseren Eltern lernen, wie sie sich in Notzeiten ernährten. Viele von ihnen hatten ja auch Epilepsie. Da hatte fast jeder einen Gemüsegarten, sie kochten gerade das was im Garten reif war. Da war das Gemüse, Salat, Bohnen, Tomaten,  Gurken etc. frei von biologischen Zusatzstoffen und ausserdem nachhaltig. Sie waren Selbsternährer, aber das alles verlangte körperliche Arbeit.  Wir können dieses von unseren Eltern und Großeltern lernen und auch übernehmen. Leben wir in einer Scheinwelt? Wissen wir nicht mehr, was wirklich wichtig ist? Plastikmüll war ein Fremdwort… Also wir leben zur Zeit zwar im Überfluss, kaufen alles sorglos im Supermarkt, weil es dort am billigsten ist. Unsere Kinder denken, dass die Milch aus der Plastiktüte kommt und nicht aus der Kuh. Das ist das sogenannte "Fortschrittsdenken", aber wir denken nicht an die Nachwelt. All die Lebensmittel, die wir hier zum niedrigen Preis kaufen, werden mit schwerer Arbeit hergestellt und das meißtens in armen Ländern. Fortschritt ist jetzt der Leitgedanke, alle die anders denken sind naiv oder nicht auf dem "laufendem". Lasst uns Innehalten, Nachhaltigkeit, Demut und Rückbesinnung wäre für alle von uns von Vorteil. Das gilt für alle, auch für Epilepsiekranke. Denn gerade Kranke und Arme konnten durch diesen Lebensstil besser leben. Dazu kommt noch ein wichtiger Punkt den viele von uns gerne unterdrücken und nicht wahrhaben wollen: Unsere Mutter Erde könnte sich erholen, wenn wir uns an das wesentliche erinnern. Die Erde brauch uns nicht, aber wir brauchen die Erde. Deshalb sollten wir uns erinnern und nicht mit Unwissenheit und Habsucht ins Unglück stürzen.

 

Über Tabuthemen zu reden ist uns schon immer schwergefallen, dabei ist es ja ganz normal, dass Gut und Böse, Gesund und Krank, Reich und Arm, schon immer unter uns Menschen war. Wir glauben an eine neue moderne Welt. Wer sagt denn, dass die Welt moderner werden soll? Nur die Reichen, die Herrscher und Raffgierigen, welch ein Trugschluß. Auch sie werden auf den Boden der Tatsachen, auf den Boden der Normalität gezogen. Und mit der Normalität kommt wieder das nötige Wissen zurück, das wäre ein Fortschritt. Kein Mensch sollte glauben, dass Wohlstand und Sicherheit der „Normalzustand“  ist.  Haben wir also den Mut auch über unsere Vergangenheit zu reden, sei es auch noch so schmerzhaft. Denn das würde uns beruhigen und uns viele Dinge anders sehen lassen. Aber das alles ist Zukunft und in die Zukunft konnte noch kein Mensch blicken. Es ist eine realistische Überlegung, mehr nicht aber, das ist die normale Realität. Ich möchte noch einmal unseren früheren Bundeskanzler Helmut Kohl zitieren: „Aber um die Zukunft zu gestalten, sollten wir die Vergangenheit kennen. Denn wer die Vergangenheit nicht kennt kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.                                                                 Große Mächte wie: Ägypter, Karthager, Azteken, Perser, Römer und viele andere, sind zerbrochen. Sie alle wollten immer mehr Reichtum und sind durch Seuchen und Kataststrophen untergegangen. Die Menschheit scheint nichts von den früheren Geschehnissen zu lernen. „Wir sind ja die besten, wir haben alles im Griff“. Welch ein Trugschluß, wir sind genauso unwissend wie unsere Vorfahren. Wir sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen. Deshalb sind wir viel zu unfähig, etwas besser zu machen. Etwas nach menschlichem Ermessen zu ändern oder besser und nachhaltig zu machen, wäre ein großes Ziel. Das alles verlangt aber große Stärke und viel Mut von uns allen, aber vielleicht würde unsere Zukunft besser werden, wenn wir uns an die Vergangenheit erinnern würden. Vielleicht hilft uns die jetzige Corona-Pandemie zum Umdenken, Wohlstand und Reichtum kann zwar beruhigend wirken, aber Überfluss braucht kein Mensch. Man muß umdenken und neue Wege gehen. Viele Menschen werden durch die Abstandsregel keine Nähe mehr zu seinen Freunden haben, unsicher und noch kränker werden als sie ohnehin schon sind. Es könnten auch psychische Probleme entstehen, das wäre noch problematischer. Laßt uns alle in die Zukunft blicken, manchmal hilft sogar ein kleines Gebet. Ganz einfache, positive Dinge neu entdecken. Sei es der liebe Partner, die Freunde oder die Kinder, mit denen man sich jetzt richtig abgeben kann. Man entdeckt dabei was tatsächlich wichtig ist, Freude und Liebe zum Nächsten. Aber Ignoranz der Vergangenheit und eine verlorene Unwissenheit des früheren Unheils kann keine bessere Zukunft bringen. Die Corona-Pandemie ist vielleicht eine Warnung an die ganze Menschheit, die sollten wir nutzen um einen neuen vernünftigen Weg einzuschlagen. Der müßte trotz aller Unannehmlichkeiten und schweren Entscheidungen möglich sein, ein radikales Umdenken aller müßte aber geschehen. Neue Möglichkeiten wird man angehen müssen, man muß sie aber auch machen...trotz aller Schwierigkeiten.

 

Ich wünsche Euch alles Gute,

 

Dieter Schmidt

 

geschrieben im Dezember 2020

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Anja (Donnerstag, 04 März 2021 15:50)

    Hui, da hast Du aber viel geschrieben - sehr fleißig. Das Bild passt perfekt dazu :-)

  • #2

    dieter (Donnerstag, 04 März 2021 18:47)

    ich hoffe das "viele" spricht auch viele an. Mir ist dieses Thema ganz wichtig, da kann man nicht fleißig genug sein.