Situationen der Betroffenen, der Angehörigen und der Selbsthilfe

 

 

Dieser Baum ist krumm, alt und

 

knorrig, aber er hat seine eigene

 

Schönheit. Er trotzte Wind und


Wetter und wurde einmalig.

 

Epilepsie - hinter den Kulissen:


Jeder möchte gerne leben wie es uns im Fernsehen vorgegaukelt wird, aber ist das nicht eine riesige Schei nwelt die alles nur schön redet und nur die positiven Seiten des Lebens zeigt?
Das wirklich reale Leben ist doch mit Leid, Freude - Schmerz und Endtäuschung verbunden. Ob bei sogenannten "gesunden" Menschen, oder bei Kranken, Armen, Flüchtlingen oder Suchtkranken, alle haben Probleme, Ängste, Sorgen oder Selbstzweifel. Sie alle brauchen Hilfe und Stärkung der Mitmenschen. Klar, diese helfenden Menschen haben die selben Probleme. Aber diese Leute haben eine innere Stärke, sie machen eine normale Nachbarschaftshilfe. Das sollte eigentlich Normalität sein, aber wir haben solch eine Fähigkeit immer mehr verloren. Warum ist bei uns Egoismus, Gleichgültigkeit und Habsüchtigkeit immer mehr in den Vordergrund gerückt? Wir sollten uns ALLE gegenseitig helfen, sei es bei Epilepsiekranken, Schmerz-, Sucht-, Herz-, oder sonstigen Krankheiten. Hilfe und Liebe zueinander kann nur gut sein.

Ich möchte die Krankheit Epilepsie und den Problemen mit den Betroffenen und Bekannten hier speziell beschreiben:
Ein Freund von mir sagte eimal: "Zuerst war mir gar nicht bewusst, dass Du unter einer Krankheit leidest. Damals dachte ich einfach, Du wärst eben ein sehr emotionaler Mensch". Heute weiß er, warum ich manchmal ohne äußerlich sichtbaren Grund in tiefe Lethargie, Wut und Traurigkeit verfalle. Vieles, was andere können, macht mir die Krankheit unmöglich. Aber ich lebe jetzt  damit, ich habe die Epilepsie akzeptiert. Ich habe auch festgestellt, dass solche Erkrankungen des Gehirns oft mit starken Persönlichkeitsveränderungen und seelischen Problemen einhergehen.
Ich lebe mit meiner Familie zusammen ind muss manchmal erleben, wie jegliche Form der Aufmunterung oder Ablenkung wirkungslos an mir abprallte.  Meine Familie glaubte mich zu kennen, aber ich verhalte mich plötzlich unberechenbar, verletzend und reagiere scheinbar unangemessen emotional. Und Partner und Freunde von mir werden häufig in ihrer Hoffnung enttäuscht, oft nahm ich keine Tablettem mehr, will leben wie sie und ignoriere einfach, dass ich Epilepsie habe. Sie fragen oft: Warum tust Du das?


Angesichts der alltäglichen Probleme, die eine Epilepsie-Erkrankung für mich mit sich bringt, werden meine Angehörigen nahezu zwangsläufig zu Ersthelfern im Krisenfall. (Was oft von Ärzten übersehen wird) Sie erledigen die Aufgaben im Haushalt mit, gleichen aus, was ich nicht mehr schaffe und nicht selten befinden sie sich in einer Situation wieder, in der sie den kompletten Lebensunterhalt für mich manchmal mit bestreiten müssen. Ich zog mich von der Außenwelt zurück, und das hatte Folgen für meine Angehörigen. Gäste kamen seltener, wir gingen seltener aus und vereinsamten für eine Zeit lang gemeinsam.


Dies alles habe ich vor 15 Jahren selbst erlebt und mir tat meine Familie unendlich leid. Aber sie haben mir sehr geholfen, aus diesem Tief wieder herauszukommen. Zu oft wird vergessen, dass Partner, Eltern, Kinder nicht einfach nur bedingungslos helfen können, sondern selbst Hilfe benötigen. Viele sind auch noch Vorwürfen von Außenstehenden ausgesetzt, wenn sie –  gelähmt von der scheinbar aussichtslosen Situation – nicht die Kraft finden, mich zu unterstützen und fremde Hilfe beanspruchen sollten.


Ich war einige Jahre depressiv, deshalb versuchte ich andere Wege zu gehen und das brachte mir die Besserung. Ich machte Epilepsie-Selbsthilfe und diese neue Beschäftigung war für mich wie eine Therapie. Was aber auf jeden Fall auch für jeden Anderen Epileptiker eine Unterstützung wäre, ist eine Selbsthilfegruppe zu besuchen. In so einer Gruppe können sich Epilepsiekranke austauschen, ihre Erfahrungen weitergeben und nebenbei auch feststellen, dass es Anderen auch so schlecht geht (oder sogar noch schlechter) wie einem selbst. Aber gerade solche Helfer in unserer Gesellschaft, werden von der Gesellschaft als "Außenseiter" abgestempelt. Dabei sollte Nächstenliebe alle Menschen näherbringen und zusammenschweißen.
Lasst Euch also nicht verunsichern, versucht jedem nach Kräften zu helfen. Jeder von uns hat große Möglichkeiten, es ist schwierig aber machbar.

 

Ich möchte Euch ermuntern, solche Wege zu gehen.

Ihr Dieter Schmidt

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Kommentare: 3
  • #1

    Anja Zeipelt (Mittwoch, 18 Januar 2017 13:21)

    Mutig, das zu schreiben. Noch mutiger, aus einem Loch zu kommen und eine SH zu leiten. Aber es stimmt, die Angehörigen und auch Freunde halten viel Druck aus und werden ganz oft völlig vergessen. Leider. Und manchmal beobachte auch ich das manche Menschen nicht in der Lage sind das auf Dauer auszuhalten. Die Schicksale sind eben mannigfaltig und manche können einfach nicht mehr tragen als ihr eigenes Päckchen. Bei anderen habe ich manchmal das Gefühl sie tragen die Last der ganzen Welt und würden sich nicht beschweren. Diese Menschen werden ganz oft ausgenutzt. Wir müssen deren Hilfe und Kraft unbedingt honorieren, finde ich. Mit Liebe, Dankbarkeit und eben dem, was wir geben können. Wenn man immer nur nimmt, mit der Ausrede, man sei ja krank, dann ist es eine Einbahnstraße, die irgendwann zur Sackgasse wird. Da muss man aufpassen.

  • #2

    Dieter (Donnerstag, 19 Januar 2017 11:28)

    Schöner Eintrag Anja, toll dass Du ähnlicher Meinung bist. Ich war mir erst nicht sicher ob ich das reinstellen soll, aber die Leute sollen ruhig wissen, dass bei mir auch mal was "klemmt". Sonst schreibe ich ja gern positiv und aufmunternd, aber vielleicht hilft es manchem dass es fast allen ähnlich geht. Danke für Deinen ehrlichen und realistischen Eintrag.
    Grüßle
    Dieter

  • #3

    Damas (Sonntag, 22 Januar 2017 10:10)

    dieser Beitrag ist für die Betroffenen sehr gut geschrieben, aber den Nichtbetroffenen ist das so ziemlich egal. Die riesige Kraft, die von den Angehörigen augebracht wird, wird von außen gar nich wahrgenommen. Schuld ist oft, dass wir uns abkapseln oder sogar verstecken. Aufklärung, Outing und eine Portion Mut, wie Dieter es macht, kann aber nur gut sein. Die Öffentlichkeit aufrütteln und sagen was das wesentliche im Leben ist, wird vielleicht ein Weg sein. Liebe.......ich weiß nicht ob das nicht in der jetzigen Zeit nur mit Sex verkannt wird.
    H.G. Damas