Kann man sein Leben mit Epilepsie realistisch planen?

Das ist wie bei so vielen anderen Sachen nicht einfach zu beantworten. Gegenfrage: Kann man mit Diabetes, Leukämie, Asthma, Blindheit, Taubheit oder Herz-Kreislauf-Beschwerden ein Leben planen? Sie sehen, da kommen Zweifel auf…. Natürlich kann ein sogenannter gesunder Mensch sein Leben breitflächiger bestimmen. 

Natürlich sind chronisch Kranke (dazu zählt Epilepsie) eingeschränkt, sei es im Beruf oder im öffentlichen Leben. Doch es ist durchaus machbar, wenn man einiges  beachtet

Man sollte erst einmal richtig abklären was für Anfälle man hat.Habe ich fokale, oder generaliserte Anfälle. Treten sie unverhofft auf, oder sind sie zeitlich bestimmt? Bin ich medikamentös gut eingestellt? Nehme ich regelmäßig meine Medikamente? Auch wäre ein akzeptieren der aktuellen Lage von allergrößter Wichtigkeit. Das alles geht aber nicht ohne Anstrengung und teilweisen Verzicht der bisherigen Gewohnheiten. Es ist oft der Fall, dass man nach Lebenskrisen gestärkt werden kann und dabei ungeahnte, neue Kräfte freigesetzt werden können.

 

 

Ich bin weit davon entfernt Anderen etwas vorschreiben zu wollen, aber einen guten Rat aus eigener Erfahrung möchte ich hier schon niederschreiben.

Ich muss schon einiges berücksichtigen um ein realistisches Leben mit Epilepsie führen zu können:

Ärzte, Therapeuten und nicht zuletzt das Moses- Schulungsprogramm*, machten mir einigermaßen klar, was Epilepsie eigentlich ist und wie man es lernt sie zu akzeptieren.  

 *Quelle: Dr. med. Hartmut Baier, Dr. med. Dieter Dennig, Klaus Göcke, Dr. med. Ulrich Specht, Rupprecht Thorbecke, Mirijam Geiger-Riess, Dr. Sibylle Ried †, Dipl. Psych. Rainer Wohlfarth, M.A.Unter Mitwirkung von: PD Dr. med. Harald Broecker, Dipl. Psych. Gerd Heinen, Dr. med. Michael Lang, Dr. med. Thomas Lenders, Prof. Dr. med. Gerhard Luef, Iris Ott Hofmann, Prof. Dr. med. Dietz Rating, Dr. rer. nat. Helmut Reith, Dr. phil. Christiane Schmid-Schönbein, Dipl. Sozialpäd. Gisela Schüler, Dr. med. Peter Schüler, Renate Schultner †, Ursula Schuster, Prof. Dr. theol. Hans J. Schwager †, Prof. Dr. med. Ulrich Stephani, Dr. med. Stefan Stodieck.

 

Manchmal hätte ich am liebsten aufgegeben, wenn wieder Tiefpunkte kamen. Trotzdem habe immer weitergemacht. Hinzufallen ist keine Schande, wichtig ist, die Kraft zu finden wieder aufzustehen. Ich sagte zu mir: Gib nicht auf, bleib dran, halte durch. Es geht, mit einem starken Willen geht’s. Ich sagte immer wieder: Was kann ich noch, das nicht mehr machbare muss man einfach ignorieren oder vergessen und vor allem immer wieder an Neues, Positives denken! Mein Leben wäre ohne Epilepsie gewiss anders verlaufen, ob es aber besser geworden wäre möchte ich bezweifeln!!

Wenn man sich aber einigelt, jammert und sich bemitleidet (warum habe gerade ich diese Epilepsie), macht man leicht eine Katastrophe daraus!

Wenn man so einen neuen Weg nicht machen will, ist Stillstand und Resignation vorprogrammiert.

Patienten die eine sehr schwere Epilepsie haben und sich nicht äußern können, sind meißtens von dritten abhängig und brauchen regelmäßige ärztliche Versorgung. Solche Patienten sind natürlich für diese Hilfestellungen nicht erreichbar.

 

Wir sind nicht nur für unser Tun verantwortlich, sondern auch für das was wir nicht tun(Moliere)

 

Jeder Mensch hat seine Stärken, aber er hat auch seine Schwächen. Und hier spielen die Gesundheit, der Geist und der Anstand als Einheit die entscheidende Rolle. Mein Credo: Wissen ist gut, Unwissenheit ist schlecht. Und Risiko kann positiv sein, kein Risiko ist Stillstand oder Rückschritt.

Auch ich erlebte in meinem Berufsleben die harte, kalte Realität. Bei den sogenannten Managern (wenn ich das Wort schon höre wird mir übel) zählte nur noch Geld, Effektivität und Rationalität. Auf der Strecke blieb die Menschlichkeit, der nötige Kitt für eine gute Zusammenarbeit. Ich wurde immer stiller, wehrte mich gegen diesen Moloch so gut es eben ging. Das zehrte an den Nerven und an der Gesundheit.

Mir wurde nach einer 20-zigjährigen Betriebszugehörigkeit gesagt, dass man einen kranken Menschen nicht brauchen könne. Ich konnte und wollte nicht glauben, dass gute ehrliche Arbeit nach so langer Zeit plötzlich nichts mehr galt. Mit 59 Jahren wurde mir wegen andauernder Krankheit fristlos gekündigt. Ein Lebensabschnitt begann, der die bittere Realität in Hoffnungslosigkeit verwandelte. 3-4 Jahre Resignation und Hoffnungslosigkeit waren in dieser Zeit meine Begleiter.

Es ist dann etwas passiert, was ich bis heute noch nicht so richtig einschätzen kann: Meine Familie hielt in dieser schlechten Zeit zu mir und baute mich immer wieder auf. Ein Freund sagte zu mir: Schaue nicht zurück sondern konzentriere Dich immer an die gegebenen Umstände, schließlich geht es im Leben immer um den Drang zum Neuen zum Besseren.

Ich begann etwas Neues, riskierte viel und ich wurde ein anderer, zufriedener und selbstbewusster Mensch. Ich begann anderen Menschen zu helfen, wollte ein Beispiel sein und gründete eine Epilepsie-Selbsthilfegruppe. Das alles ging aber nicht ohne Anstrengung und teilweisen Verzicht der bisherigen Gewohnheiten. Ich erkannte, dass man nach Lebenskrisen gestärkt werden kann und dabei ungeahnte, fremde Kräfte freigesetzt werden können. Meine Selbstsicherheit kam zurück. Aber ich weiß auch, dass es große Anstrengung braucht sie zu behalten.                                                                                              

Jeder ist einzigartig, hat Qualitäten. Jeder hat ein Juwel in sich…..man muss ihn nur finden und ausgraben.

 

Ich wünsche Euch allen so einen Begleiter und auch so einen Freund.                                                                                               

Dieter  Schmidt

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Kommentare: 7
  • #1

    Julia (Montag, 11 Juni 2012 09:46)

    Dieses Thema wird zwar immer wieder beschrieben und erwähnt, aber ich glaube, man kann das nicht oft genug sagen.
    L.G
    Julia

  • #2

    Christiane (Montag, 11 Juni 2012 23:36)

    Ich habe es jetzt, weil ich mich in einer beruflichen Neuorientierung befand, erfahren und gesagt bekommen, was alles nicht geht. Ich kann nun nicht mehr bedingungslos schreiben, dass ich als Epileptiker alles tun kann, was gesunde Menschen auch tun können. Ich empfinde das als etwas, dass wir uns einreden, um Befriedung zu erzielen. Mich hat das sehr geärgert.
    Nun habe ich aber eine neue Stelle und hoffe, dass es mir dort gut gehen wird. Ich bin froh, dass an manchen Stellen Epilepsie ein Ausschlusskriterium ist (es hilft auch, nicht von der Epilepsie zu berichten - muss man ja auch nicht, es sei denn die Epi beeinträchtigt die Arbeit). Jetzt lese ich oft, dass Betroffene ausgeschlossen werden und gar nicht die Möglichkeit bekommen, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen (eigentlich berichten das die meisten Betroffenen in den Foren in WKW z.B.) Von daher ist es meiner Meinung nach ein Schönreden, wenn man sagt, Epileptiker können alles - es wird ihnen auch nicht zugetraut. In Realität wird eher aufgezählt, was nicht geht - auch von anderen Betroffenen. In meiner Neuorientierung bin ich oft in Frage gestellt worden und mir ist aufgezählt worden, was nicht geht. Das fand ich frustrierend und ärgerlich. Aber, wie gesagt, ich habe jetzt eine Stelle, von der ich hoffe, dass sie mich befriedigt und mir Erfüllung bringt.

  • #3

    Christiane (Montag, 11 Juni 2012 23:38)

    Ich wollte schreiben, dass Epilepsie an manchen STellen kein Ausschlusskriterium darstellt - da habe ich einen kleinen aber entscheidenen Rechtschreibfehler gemacht - das ist eine Korrektur zu meinem vorstehenden Beitrag.

  • #4

    Dieter (Mittwoch, 13 Juni 2012 13:16)

    @Christiane,

    Du mußt den Blog richtig durchlesen ;-) Realität ist eben, dass wir eigene, passende Wege suchen müssen. Und die können dann durchaus schön und auch erfolgreich sein. Das hat nichts mit einreden zu tun, da ist einfach Fakt und man muß es akzeptieren. Da brauchst Du Dich auch nicht zu ärgern, man muß es verinnerlichen. Ich spreche aus eigener Erfahrung und möchte auf keinen Fall irgend etwas einreden oder schönreden.

    Liebe Grüße
    Dieter

  • #5

    Christiane (Donnerstag, 14 Juni 2012 01:10)

    Ich habe das schon so gelesen. Ich finde aber schon, dass vieles nicht möglich ist, was eigentlich zu einem passen würde. Klar ist vieles möglich - es ist manchmal sehr schwer das passende zu finden- daher finde ich, dass man als Epileptiker in seiner Berufswahl sehr eingeschränkt ist und das finde ich unbefriedigend und ärgert mich auch. Vielleicht muss man einfach machen und ausprobieren.

  • #6

    bernd (Samstag, 27 Dezember 2014 15:24)

    Hallo Dieter

    Ich glaube, das von dir angesprochene Thema bewegt jeden epilepsiebetroffenen tählich-und zeigt ihm seine Grenzen in aller eindriglichkeit. Aber trotz dieser immer wiederkehrenden grenzsituation sollte die hoffnun g auf wandlung den größeren part einnehmen.
    aus deiner erfahrung weißt du wie kompliziert, oft kompromißlos--und unberechenbar---und daher nur sehr selten planbar epilepsie ist.
    Die Verantwortung zum Leben für jeden sehr groß. Du hast einen guten Spruch von molier gewählt---wir sind verantwortlich nicht nur für unser tun, sondern besonders für unser nichttun.

    ich bin 67 jahtr und habe seid meinem 13. lebensjahr epilepsie und das chronische erschöpfungssyndrom. 20 jahre bin ich jetzt anfallsfre-nehme nach absprache keine tablette mehr aber die epilepsie hat mein leben gezeichnet, so
    wie viele andere betroffene auch. von heilung können wohl statistiker sprechen aber keine betroffenen.----das ear ein wichtiges thema-und ich wünsche, das viele das zu schätzen wissen.

    Liebe Grüße
    Bernd

  • #7

    bernd thier-48161 münster nrw (Donnerstag, 12 November 2015 11:41)

    Hallo -------------Ich arbeite Deine Blogs-Themen ab-Daher die zeitliche Verzögerung

    20 Jahre begleiteten mich grand-mal Anfälle---in den nächsten 20 Jahren schwächten sich die Anfalle ab-Aufwachanfälle kleine Abwesenheitserscheinungen. heute befreit.
    zusätzlich ein akutes Erschöpfingssyndrom.
    Aus meiner Erfahrung-- nein und nochmals nein. Mein Leitsprich---der vorwiegend in der
    Vergangenheit Gültigkeit hatte-lautete: "Ich weiß nicht was der morgige Tag mir bringt, aber wenn er Gutes bringt........dann...
    Das Leben ist unberechenbar--das gilt für Gesunde und andere.----Epilepsiekranke sollten nicht
    planen. Artur Schopenhauer:--Wer nichts erhofft, der kann auch ncht ent-täuscht werden

    Also: wenn ich ein einigermaßen mein Leben in Zufriedenheit führen möchte, dann komme ich
    nicht umhin als Betroffener mich gründlich mit diesen Streich der Natur auseinanderzusetzen.
    Darum ist es gut die Nelasttbarkeit durch eigene Erfahrung kennen zulernen Sich nur auf
    Empfehlungen zu berufen -kann zwar in Zeiten großer Belastung - hilfreich sein, aber auch die Fremdbestimmtheit so fördern, dass die Übernahme der Eigenverantwortung nie stattfindet
    Hilfe, besonders die medizinische ist absolut notwendig, aber wenn sie nicht zur späteren Selbsthilfe ermuntert----bewirkt sie nicht viel Gutes!
    Gerade erst entdecke ich, dass ich bereits zu diesen Thema schrieb ------nun ja- was solls
    Bernd